Hallo zusammen,
ich möchte mich hier mit dem Thema "Gasaustausch" befassen.
Für uns als Aquarianer geht es dabei primär um die Sauerstoffversorgung im Wasser.
Der Grund, hierüber einen Thread zu verfassen, liegt darin, dass offensichtlich noch einige
Fehlinformationen durch das Netz geistern.
Dabei ist es mir wichtig, euch nicht mit Formeln zu Löslichkeitskoeffizienten, oder Ähnlichem totzuwerfen, sondern
halbwegs einfach und plausibel den Sachverhalt auf das Wesentliche zu reduzieren und zu vermitteln.
Mir ist dabei klar, dass eine Vereinfachung immer die Gefahr der Ungenauigkeit birgt. Aber wir wollen mal
schauen, ob es mir gelingt. Ich werde das ein oder andere Stichwort hinterlegen, damit diejenigen, die es interessiert,
danach speziell googeln können.
Fangen wir mit Grundlangen an:
Was ist denn eigentlich Luft?
Die uns umgebende Luft besteht zu rund
78% aus Stickstoff (N2),
21% aus Sauerstoff (O2)
und diversen anderen Edelgasen in sehr geringer Menge.
Lediglich das Kohlendioxid ([definition=16]CO2[/definition]) sei hier mit einem Anteil von rund 0,04% erwähnt.
Diese Luft atmen wir ein und versorgen unseren Körper mit Sauerstoff. Gleichzeitig geben
wir [definition=16]CO2[/definition] ab.
Die Luft, die wir ausatmen besteht dann zu rund :
78% Stickstoff,
17% Sauerstoff,
4% Kohlendioxid ([definition=16]CO2[/definition]) und wieder einem
Rest diverser Kleinstmengen an anderen Gasen.
Nun, man stellt fest, dass durch das Atmen die Anteile an [definition=64]O2 [/definition]und [definition=16]CO2[/definition] verändert werden. So lange
wir uns in der freien Natur aufhalten, wird sich der [definition=16]CO2[/definition]-Ausstoß eines einzelnen Menschen nicht
merklich auf die Umwelt auswirken.
Wer jedoch mal einen Klassenraum betreten hat, in dem zuvor 30 Menschen eine Stunde lang fleißig geatmet haben,
der wird feststellen, wie sich die Luftqualität merklich in diesem Raum verändert hat.
Die Abhilfe ist recht einfach bewerkstelligt - ein geöffnetes Fenster sorgt recht schnell für
eine Lufterfrischung. Die "verbrauchte" Luft trifft dabei auf "Frischluft".
Auf das Wesentliche reduziert, verteilt sich der [definition=16]CO2[/definition]-Überschuß des Raumes auf die Umgebungsluft. Der Sauerstoff der Frischluft hingegen
in die Raumluft.
Je größer die Konzentrationsunterschiede sind, desto intensiver erfolgt der Ausgleich und wer in dem Beispiel am dichtesten am Fenster
sitzt kommt als erstes in den Genuß von Frischluft.
Beschleunigt wird dieser Prozess durch Luftströmungen (Durchzug), er würde jedoch auch allein aufgrund
der molekularen Diffusion stattfinden. Nur ein klein wenig langsamer. (siehe "Partialdruck", "Henry Gesetz").
Mit ordentlicher Luftbewegung hätten also auch die, die ganz hinten im Raum sitzen, recht schnell wieder viel Sauerstoff zur Verfügung.
Was hier recht banal und selbstverständlich klingt, ist aber der eigentliche Kern dieses Threads...
Bedeutung für den "Aquarianer"
Es ist nicht ganz so einfach in einem Aquarium voll Wasser "ein Fenster zu öffnen" und so sowohl für die maximale
Sauerstoffsättigung als auch für die minimale [definition=16]CO2[/definition]-Konzentration zu sorgen.
Nichtsdestotrotz finden IM Wasser dieselben Prozesse, wie in der Luft statt. Sauerstoff wird von Fischen, Bakterien und
Zersetzungsprozessen verbraucht und gleichzeitig entsteht [definition=16]CO2[/definition].
Optimal wäre natürlich ein biologisches Gleichgewicht in einem Aquarium, was mit reichhaltigen Pflanzenbewuchs
den [definition=16]CO2[/definition]-Anteil durch Photosynthese wieder in Sauerstoff umwandelt.
Aber spätestens beim Stichwort "reichhaltigem Pflanzenbewuchs", kratzen wir Malawi-Fans uns nachdenklich am Kopf.
Außerdem scheint ja auch in einem Aquarium nicht dauernd die Sonne, bzw. die Beleuchtung, so dass reichhaltiger Pflanzenbewuchs
bei Nacht auch reichhaltige [definition=16]CO2[/definition]-Produktion bedeutet. Die umgekehrte Photosynthese macht nämlich Nachts genau das Gegenteil der Tagesproduktion. Es wird [definition=64]O2 [/definition]verbraucht und [definition=16]CO2[/definition] produziert.
Aus dem Grundlagen-Thread zum Thema Wasserchemie wissen wir, dass sich die [definition=16]CO2[/definition]-Konzentration negativ auf den PH-Wert auswirkt und
bedenkliche Folgen für unsere sensiblen Buntbarsche haben wird.
Wie kommt denn nun der Sauerstoff ins Wasser?
Das "geöffnete Fenster" eines Aquariums ist die Wasseroberfläche.
Dort passiert dem Grunde nach genau das, was ich oben bereits beschrieb. Ein Ausgleich zwischen unterschiedlichen
Sauerstoff- und [definition=16]CO2[/definition]-Konzentrationen.
Allerdings mit erheblichen Einschränkungen:
Der Übergang von Luft auf Wasser wirkt quasi wie ein "Widerstand". Er wird in den theoretischen Modellen auch als "Haut"
oder "laminare Grenzschicht" bezeichnet.
Soll heißen, der Gasaustausch passiert hier nicht so schnell wie in der Luft selbst.
Wären sowohl Wasser als auch Luft frei von Turbulenzen und Verwirbelungen, würde sich dieser Effekt noch verstärken. Die molekulare Diffusion
würde so langsam arbeiten, dass ein Austausch von Gasen kaum ausreichend für das gesamte Becken wäre.
Vielleicht hat jemand schon mal das Bild gesehen, wenn Fische direkt unter der Wasseroberfläche stehen und "japsen".
Ferner kann Wasser nicht unbegrenzt Sauerstoff aufnehmen. Dieser Wert ist nämlich maßgeblich abhängig von der Wassertemperatur.
Hier ein Diagramm, an dem man gut erkennen kann, wie sich die Gleichgewichtskonzentration von Sauerstoff (O2)
bei gleichem Luftdruck mit zunehmender Temperatur verringert.
Wasser von 25 Grad ist mit einem Sauerstoffgehalt von rund 8mg/l gesättigt.
Je wärmer also das Wasser, desto weniger Sauerstoff nimmt es auf.
Grundsätzlich kann man feststellen, dass man mit relativ wenig Luft, Wasser maximal mit Sauerstoff sättigen kann.
Was gut klingt hat allerdings den Nachteil, dass, wenn die oberen Wasserschichten bereits angereichert sind, der Gasaustausch dort an Intensität verliert.
Es dauert entsprechend lange, bis der Sauerstoff in die unteren Wasserschichten "hindiffundiert" ist.
Wie begünstige ich den Gastaustausch im Aquarium?
Weder Wasser noch Luft sind statische Spheren. Sie sind eigentlich immer in Bewegung.
Werden durch äußere Einflüsse die Verwirbelungen und Turbulenzen intensivert, führt man der Grenzschicht ständig
neues Wasser bzw. neue Luft zum Gasaustausch zu (siehe Surface-renewal-Modell / Oberflächenerneuerungsmodell / Turbulentes Diffusionsmodell).
Mit Sauerstoff angereichertes Wasser wird gleichzeitig wieder wegtransportiert und im Becken verteilt.
Es geht bei den Turbulenzen also nicht allein um die Bewegung der Oberfläche, vielmehr um die Bewegung des Wassers an sich - am besten im gesamten Becken.
In der Natur ist der Wind die Variable mit dem höchsten Einfluss auf den Gasaustausch in Seen und dem Meer. Neben Luftbewegungen,
überträgt er den Impuls (Wellen) ins Wasser und sorgt dort ebenfalls für Bewegung. Aber dies nur am Rande.
Wind haben wir über Aquarien recht selten. Wir behelfen uns am sinnvollsten mit Wasserströmungen durch Filterauslässe oder
Strömungspumpen. Im Normalfall wird ein Ventilator über der Wasseroberfläche damit überflüssig, auch wenn er sich in heißen Sommern
oft bewährt hat. Eine starke Wasserbewegung ist also - gerade in Malawi-Becken - Pflicht.
Es gibt natürlich auch Faktoren, die den Gasaustausch erschweren, bzw. hemmen. Ein Biofilm (z.B. Kahmhaut) auf dem Wasser ist wenig förderlich.
Ebenso starker Pflanzenwuchs AUF dem Wasser (Schwimmpflanzen) reduziert den Gasaustausch.
Bislang schrieb ich - wie fast alle Publikationen zu diesem Thema - vom "Gasaustausch an der Wasseroberfläche". Diese Beschreibung
verleitet den Leser (und den ein oder anderen unaufmerksamen Autor) dazu zu glauben, der Gasaustausch fände tatsächlich nur
AUF dem Wasser statt. Das ist natürlich Unsinn und ließe sich weder physikalisch noch chemisch beweisen.
Mit Wasseroberfläche ist JEDE Fläche gemeint, an der Luft auf Wasser trifft.
Also auch die Luftblasen, die mit Pumpen in das Wasser gebracht werden, bilden Oberflächen.
Ich las neulich auf einer Aquaristikseite, dass Luftbläschen keine Auswirkungen auf den Gasaustausch hätten, weil sie a) zu klein wären und
b) eine zu kurze Kontaktzeit hätten. Sie dienten angeblich nur der Oberflächenbewegung.
Das stimmt natürlich nicht.
Wie wir oben gelernt haben, geht es nicht allein um das Erzeugen von Wellen auf der Wasseroberfläche, sondern optimaler weise um die ständige Zuführung
und Verteilung von Wasser im Aquarium.
Tatsächlich tragen Membranpumpen mit den Ausströmern im Wasser maßgeblich zum Gasaustausch bei. In dem Bereich, wo die Luftblasen aufsteigen passiert nämlich
genau das, was auch an der echten Wasseroberfläche passiert. Das umgebende Wasser wird aufgrund der vielen Luftbläschen mit Sauerstoff angereichert und [definition=16]CO2[/definition]
wird ausgegast. Die Kontaktzeit einer einzelnen Blase mag dabei kurz sein, jedoch nimmt das umgebende Wasser kontinuierlich durch die große Anzahl von Bläschen
am Gasaustausch teil - vor allem in den unteren Wasserschichten, wo es nicht erst hintransportiert werden muss.
Wasser, was wir mit einer starken Strömung in Richtung Wasseroberfläche schießen, ist nicht viel länger direkt an der Oberfläche.
Die echte Kontaktzeit ist genauso kurz. An den Vermutungen der besagten Aquaristikseite kann also rein logisch schon irgendwas nicht stimmen.
In der Praxis überleben Tiere durchaus auch mal eine Nacht in einem Aquarium, bei dem der Filter oder die Strömungspumpe ausfällt, solange die Membranpumpe noch
arbeitet. Häufiger liest man hingegen von Todesfällen nach dem Abschalten der Belüftung, obwohl der Filter und die Strömungspumpe noch lief.
Alle Klarheiten beseitigt?